Es gibt Begriffe, die sind einfach falsch und irreführend. Das Wort „Bruttolohn“ gehört dazu. Es schürt einen Konflikt, den niemand braucht: Den Konflikt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
Warum das Wort „Bruttolohn“ falsch ist
Beispiel: Herr Meyer bekommt einen Bruttolohn von 2.000 €. Dieser Betrag wird als Wert seiner Arbeitsleistung wahrgenommen – von ihm und von der Gesellschaft. Der Bruttolohn ist der Gradmesser für Arbeitsleistung. Der Bruttolohn ist das, was der Arbeitnehmer „verdient“ also was der Arbeitgeber dem Mitarbeiter gibt.
Das Problem liegt nur darin, dass der Wert schlichtweg falsch ist. Der Arbeitgeber gibt viel mehr! Er schätzt die Arbeit seines Mitarbeiters viel höher. Wenn Herr Meyer 2.000 € Brutto bekommt, bekommt er eigentlich insgesamt 2.801€ von seinem Arbeitgeber.
1. Der Arbeitgeber zahlt 454€ Sozialleistungen zusätzlich zum Bruttolohn. ( = 2.454 €)
2. Hinzu kommt aber auch noch die Lohnfortzahlung im Urlaub. Laut Gesetzt ist das mindestens ein Monat pro Jahr, also kommen noch einmal 2.454€/12 = 204€ pro Monat hinzu. (= 2.658 €)
3. Hinzu kommt aber auch noch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Im Bundesdeutschen Schnitt sind das 14,6 Fehltage pro Jahr. Das sind dann noch einmal ca. 143 € pro Monat. (Das kann im Einzelfall viel mehr sein, aber auch viel weniger. Ich nehme hier den Durchschnitt an.)
Somit sind wir bei einem Gesamtlohn von 2000€ plus 454€ plus 204€ plus 143€ = 2.801 € pro Monat.
Wenn also ein Arbeitnehmer sagt, er bekomme nur einen Bruttolohn von 2.000 €, ist das irreführend und falsch. Er bekommt in Wirklichkeit 2.800€.
Warum das Wort „Bruttolohn“ geändert werden muß
Der Arbeitgeber erscheint als geizig, der Arbeitnehmer fühlt sich nicht richtig geschätzt. Die Gewerkschaften spielen auf dieser Klaviatur und hetzen Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber.
Der Arbeitnehmer ist sich gar nicht bewußt, was er für seine Arbeitsleistung bekommt. Die meisten Arbeitnehmer denken, Sie „verdienen“ nur das, was auf Ihren Konto landet – den Nettolohn. Sie vergessen dabei, dass Sie einen großen Betrag für Ihre Rente sparen, krankenversichert sind und bei Arbeitslosigkeit auch noch über Monate schmerzrei leben können. Das hat eine hohen Wert.
Zudem bekommen Sie für die Lohnsteuer, die der Arbeitgeber für Sie abführt einen soliden Staat, Rechtssicherheit, soziale Ruhe, brauchbar gute Straßen, etc. (Ich gebe zu, über die sinnvole Verteilung kann man vortrefflich streiten).
Aber es geht noch weiter.
Das Wort „Bruttolohn“ reduziert die Kritik am System
Der Arbeitnehmer vergleicht nun seinen (falschen) Bruttolohn von 2.000 € mit seinem Nettolohn (1.264€) und ist frustriert. Er nimmt den Nettolohn als das wahr, was der Arbeitgeber zahlt. („Ich arbeite für einen Hungerlohn und der Chef wird reich“). Es ist aber noch extremer: Von dem wirklichen Gesamt-Lohn von 2.801 € bleibt ihm nur 1.264 € netto übrig – also nicht mal die Hälfte. Das schürt auch Kritik am System – also am Staat.
Daduch, dass der Arbeitnehmer nur den Bruttolohn als Referenz wahrnimmt und nicht den Gesamt-Lohn, reduziert sich seine Kritik am System etwas – das ist gut für das System, also den Staat.
Vorschlag:
Finden eines richtigen Begriffes, beispielsweise „Gesamt-Lohn“, der auch den Arbeitgeberanteil für den Mitarbeiter einschließt. Damit würde der Arbeitnehmer besser wahrnehmen, welche Leistung er „verdient“. Er würde verstehen, dass sein Lohn nicht nur der Nettolohn ist, sondern das er viel mehr Wert erarbeitet. Das sollte ihn zufriedener machen.
Er würde dann auch verstehen, dass der Arbeitgeber viel mehr für seine Leistung bezahlt, seine Leistung also viel mehr schätzt. Das sollte ihn auch zufriedener machen und die Kluft zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber veringern.
Das würde auch bei Tarifverhandlungen mehr Klarheit und Transparenz bringen. eine 3%ige Lohnerhöhung auf Basis des Bruttolohnes bringt bei 2000€ netto 60€. Auf Basis des Gesamt-Lohnes sind das 84€ mehr. Das wäre die Wahrheit.
Umzusetzen wäre der Begriff, wenn die Verdienstabrechnungen vom Gesamtlohn ausgehend alle Abgaben der Sozialversicherung und der Steuer bis hin zum Auszahlungsbetrag auswiesen. Also hier der Appell an alle Lohnabrechnungssysteme: Stellt die Verdienstabrechnungen um!
P.S. Beispiel eines verheirateten Mannes, ohne Kinder, 40 Jahre, evangelisch und bei der AOK versichert. 2018.